Ich hatte mich durch einen Aufruf der Münchner Grünen recht spontan dazu entschlossen, heute beim „München ist Bunt“-Festival vorbeizuschauen – einer vom Stadtviertel Fürstenried-West organisierte Gegenveranstaltung zum angekündigten Neonazi-Aufmarsch zum Gedenken des 8. Mai 1945. Es war also zum einen Teil eine klassische Gegendemonstration, zum anderen Teil eine Kulturveranstaltung, bei der Kinder nahöstlich angehauchte Tänze vorführten, eine Blaskapelle spielten und eine jugendliche Band rockte – und einige lokale Politik-Größen (Ude sowie seine Vor- und Vor-Vorgänger) Reden für Toleranz und für das Gedenken an die damalige Befreiung vom Nationalsozialismus hielten. Recht viele Parteien waren anwesend und zeigten durch Fahnen Präsenz, von der den Grünen über SPD und der Linke hin zur DKP, auch die Gewerkschaften wie ver.di.
Für mich war die Demo insofern ein Novum, als dass ich erstmals auch selbst „parteilich“ unterwegs war, also nach einem Treffen im Grünen-Stadtbüro mit Fahne, Buttons usw. ausgestattet war. Wobei so ziemlich der einzige merkbare Unterschied zu sonst der war, dass man dank Fahnen die eigenen Bekannten leichter wiederfindet. Dafür hat es sich so ergeben, dass ich großteils mit einer Gruppe von der Grünen Jugend unterwegs war, und das hatte dann doch seine eigene Dynamik.
Die ganze Gegendemonstration befand sich entlang der geplanten Marschroute, die wie abzusehen von einer Hundertschaft an Polizisten abgeriegelt war. Recht früh waren einige Gegendemonstranten – vornehmlich welche vom Schwarzen Block – auf die abgeriegelten Straße gekommen, um dort eine Sitzblockade zu veranstalten. Die Polizei unternahm zwar nichts, um sie dort zu verscheuchen, ging dann aber schon sehr bestimmt gegen die Versuche Weiterer vor, auf die Straße zu kommen: direkt vor mir versuchte es einer – wurde recht unsanft gepackt (für Münchner Verhältnisse; in Berlin hätte das sicher nochmal anders ausgesehen) – ein halbes Dutzend Bekannte (mutmaßlich ebenfalls vom Schwarzen Block) kamen zu Hilfe – zwei Dutzend zusätzliche Polizisten kamen zur Hilfe – die ganze Lage schien innerhalb von etwa einer halben Minute zu eskalieren, beruhigte sich dann aber ebenso schnell wieder. Es war auf alle Fälle interessant zu sehen, wie schnell solche Situationen eskalieren können. Ich beneide die Polizisten zumindest nicht um die Aufgabe.
Aber es gab noch einen anderen Weg hinter die Wegsperren, bei dem man die Sperre weitläufig durch einen 400m-Wald-Trampelpfad durchs Dickicht hin zu einer ungesicherten Straßenstelle umgehen konnte. Unter anderem eine Gruppe aus dem Umfeld der Grünen Jugend schaffte es so, zur Blockade aufzuschließen – zwar vorbei an ein paar Polizisten, die das zwar eigentlich verhindern wollten oder zumindest sollten, dabei aber schon betont wenig Eifer zeigten. Nachdem die Zahl der Leute auf der Straße dank des Waldwegs recht schnell anwuchs, entschloss sich die Polizei wohl irgendwann, den Weg als nicht mehr räumbar und damit nicht passierbar zu deklarieren. Es lief also darauf hinaus, dass der Aufmarsch nicht bis zum Ende durchgezogen werden konnte und die Abschlusskundgebung entfallen musste – für die Gegendemonstranten gewissermaßen das „Gewonnen“-Szenario. (Und in der Gesamtsituation kann man wohl auch vermuten, dass das der Polizei auch gar nicht so unrecht war.)
Der Nazi-Aufmarsch selbst war dann an sich unspektakulär: etwa 50-70 Neonazis, die wohl den gefallenen Soldaten und der Niederlage gedachten, dabei von 3000-5000 Gegendemonstranten (je nach Zählung) ausgebuht wurden, und sich dann beim Heimweg per (polizeilich abgeriegelter) U-Bahn wohl (laut Abendzeitung) auch noch Anlass gegeben haben müssen, sie in Gewahrsam zu nehmen.
Es gibt ja immer das Argument, dass man mit Gegendemonstrationen solchen Leuten unnötig viel Aufmerksamkeit beschaffe. Andererseits wäre es eben ein recht fatales Zeichen, sie machen zu lassen ohne dass sich jemand daran (sichtbar) stört. Und gerade die Verbindung mit einem kleinen Kulturfest und einer eigenen Gedenkfeier machte die Aktion schon sehr lohnenswert.