Zweiseitiger Artikel im Anime-Magazin „Koneko“ (Ausgabe #7)
Was ist das?
„Selbsthilfe“ – so könnte man das Phänomen Fansub am besten charakterisieren. Jeder Fan kennt das Problem: in Japan laufen alle paar Monate Dutzende an neuen Anime-Serien an, und hier kommt nur ein Bruchteil dessen an. Und gut genug Japanisch kann man auch nicht, um sich die Serien im Original anzuschauen…
Fansubs setzten es sich zum Ziel, dem Anime-Mangel Abhilfe zu schaffen: man nimmt Videoaufnahmen aus dem japanischen Fernsehen, übersetzt sie, fügt die Übersetzungen als Untertitel ein und lässt Kopien davon anderen Anime-Fans zukommen, die nicht Japanisch können oder sonst keine Bezugsquellen haben. Das ganze geschieht illegal.
Der Anfang
Fansubs sind im Wesentlichen eine amerikanische Erscheinung. Seit Mitte der 70er-Jahre war es dank den aufkommenden VHS-Videokassetten möglich, Sendungen im japanischen Fernsehen aufzuzeichnen und in die USA zu schicken. Japanische Videokassetten lassen ich dort, anders als hier in Europa, ohne größere Probleme abspielen. Das führte bald zu Anime-Vorführungen in diversen Anime-Clubs in amerikanischen Universitäten. Anfangs sah das so aus, dass die Animes im japanischen Original gezeigt wurden, und ein des Japanischen mächtiger Fan vor oder während des Films erklärte, um was es gerade ging. Ein erster Anfang also, aber echte Freude kommt da noch nicht auf.
Richtige Fansubs entstanden etwa ein Jahrzehnt später, als die Videotechnik fortgeschritten genug und vor allem günstig genug war. Mit spezieller Technik war es seitdem möglich, dass auch Privatpersonen Untertitel in einen Film hineinmontieren. Das führte zum ersten großen Fansub-Boom: einige wenige Fansubber kauften in Japan Animes auf LaserDisc (der Vorgänger der DVD), übersetzten sie, und erstellten auf recht mühevolle Weise Fansubs, die sie dann „Distributoren“ zukommen ließen. Interessierte Fans konnten dann per Post leere Videokassetten u. Rückporto an die Distributoren schicken, diese kopierten die Fansubs dann auf die Kassette und schickten sie zurück. Das war freilich immer noch verhältnismäßig aufwändig. Trotzdem führte das zu einer schnell wachsenden Fanszene, da viele erst durch Fansubs von Freunden überhaupt darauf aufmerksam wurden, dass es soetwas wie Animes überhaupt gibt.
Zu einem Teil waren die frühen Fansubs also Wegbereitereiter der kommerziellen und massentauglichen Verbreitung von Animes in Amerika. Denn die ersten Video-Anbieter hätten es deutlich schwieriger gehabt zu überleben, hätte es nicht von Anfang an eine recht aktive Fanszene gegeben. Aus diesem Grund waren die Video-Produzenten auch lange Zeit sehr tolerant gegenüber den nichtsdestoweniger illegalen Fansubs.
Fansubs heute
Die heutige Fansub-Szene hat kaum noch etwas mit der eben Beschriebenen zu tun; „Schuld“ daran haben wieder technische Entwicklungen: Animes werden heute ditigal produziert, ausgestrahlt (HDTV) und verkauft (die analoge LaserDisc wurde in Japan vor etwa 6 Jahren durch die DVD abgelöst). Diese Digitalisierung und immer schneller werdende Computer machten das Untertiteln von Animes um ein Vielfaches einfacher und kostengünstiger. Außerdem kamen seit Ende der 90er-Jahre breitbandige Internet-Anschlüsse in Mode. Das hilft auf vielen Ebenen: die Fansubber können untereinander besser kommunizieren, was vor allem die Zusammenarbeit zwischen Übersetzern und den Videobearbeitern verbessert. Für die normalen Fans ist es leichter, Fansubber überhaupt zu entdecken. Und insbesondere entfällt der ganze Aufwand mit Videokassetten verschicken und kopieren, da die Animes ohne Material- und Portokosten übers Internet transportiert werden können.
Besonders hier in Europa profitiert man davon: wie gesagt wird nach wie vor ein Großteil der Fansubs in den USA erstellt, und das Verschicken von VHS-Kassetten per Post nach Europa war immer eine recht problematische und kostspielige Angelegenheit.
Die neuen Möglichkeiten führten um das Jahr 2000 herum zu einer regelrechten Fansub-Explosion. Mit einem Mal wurde nahezu jede bekanntere Serie in Japan untertitelt. Da die langen Postwege von Japan zu den Fansubbern und von diesen zu den jeweiligen Fans entfielen, konnten Fansubs wesentlich schneller erstellt werden. Noch vor 10 Jahren empfand man einen Anime als aktuell, wenn dieser nicht älter als ein halbes Jahr war – heute vergeht zwischen der Erstausstrahlung im japanischen Fernsehen und der Download-Möglichkeit der untertitelten Episode im Netz manchmal weniger als eine Woche.
Während die technische Qualität der Fansubs (Bildqualität, Tonqualität) ebenfalls stark zunahm und heute oft schon beinahe DVD-Qualität hat, kann man dies von der Übersetzung selbst aber nicht unbedingt behaupten. Berauscht von der Möglichkeit, Anime-Episoden nur wenige Tage nach der Ausstrahlung ins Netz stellen zu können, lieferten sich besonders in den ersten zwei, drei Jahren viele Fansubber ein regelrechtes Rennen – auf Kosten der Sorgfältigkeit. Auch wenn inzwischen wieder mehr Ruhe eingekehrt ist, gibt es trotzdem oft arge Patzer. Spätestens wenn in der „Ghost in the Shell“-TV-Serie von Firmenerpressungen die Rede ist und in den Untertiteln ein „mass naked child event“ vorkommt, sollte sich mancher Fansubber einmal Gedanken über die Bekömmlichkeit diverser Substanzen machen.
Solche Ausfälle gab es freilich auch zu VHS-Zeiten, doch ist es heute schwerer, bei den Fansubs die Perlen unter der großen Menge an Mittelmäßigem herauszufiltern. Das gleiche gilt auch für die Animes selbst: früher wurde nur ein Bruchteil der Anime-Serien untertitelt, folglich konnte man davon ausgehen, dass dies nur die Besten der Besten waren. Heute wird man dagegen auch mit einer Menge an Serien beglückt, auf die man vielleicht auch als hartgesottener Anime-Fan verzichten hätte können…
In Deutschland
Hierzulande ist es üblich, englisch lesen zu können. Weil man deswegen auf die Fansubs aus den USA zurückgreifen kann, hat es nie einen so akuten Bedarf an deutschen Fansub gegeben. Deswegen hat es davon auch lange Zeit nie sonderlich viele gegeben; wenige Ghibli-Animes und ein paar andere Anime-Filme wurden als deutsche Fansubs untertitelt, aber das war es dann auch schon so ziemlich.
Erst die letzten zwei, drei Jahre kamen deutsche Fansubs wirklich in Mode.
Zwar ist die deutsche Fansubber-Szene nicht allzu groß und wird es wohl auch nicht werden. Dafür erscheinen hauptsächlich gute Serien in ansehnlicher Qualität, was dem ursprünglichen Gedanken von Fansubs wohl auch näher kommt.
Recht und Unrecht
Auch wenn das ganze Thema „Raubkopien“ spätestens nach einigen sehr fragwürdigen Werbekampagnen der Filmindustrie einen unangenehmen Beigeschmack hat, kann man es eigentlich nicht oft genug sagen: auch Anime-Fansubs sind Raubkopien und damit illegal, und jeder, der sich selbst welche anschaut, sollte sich dessen auch bewusst sein.
In den USA beginnt diese Illegalität gerade, sich auf die Fansubber auszuwirken. Früher gab es dort noch ein paar rechtliche Schlupflöcher, die das Risiko für die Fansubber etwas minderten, solange der untertitelte Anime dort noch von keiner Firma lizenziert war. Diese Schlupflöcher gibt es inzwischen nicht mehr. Wichtiger noch: das Phänomen „Fansub“ hat sich so stark verbreitet, dass Fansubs zu einer ernsten Konkurrenz zu den legalen DVD-Veröffentlichungen geworden sind – auch was die technische Qualität angeht. Vor allem aber hat sich die Marktsituation verändert: als Anime noch eine reine Insider-Sache waren, profitierten die Firmen von Fansubs, weil diese Werbung für Animes als solche waren. Inzwischen hat sich Anime so weit etabliert, dass die DVD-Firmen keinen Vorteil mehr in der Existenz von Fansubs sehen. Seit 2004 wird daher auch verstärkt gegen Anime-Downloadseiten vorgegangen, und auch die japanischen Anime-Produzenten beginnen sich, für das Thema zu interessieren und einzugreifen….