Die diesjährige Landesversammlung fand vom 22. – 23. Oktober in Bad Windsheim statt – einem Kurort mit Provinzcharakter, der trotz seiner abgelegenen Lage recht schnell zu erreichen war (zumindest für uns, die 42köpfige Münchner Delegation).
Der Parteitag war im Wesentlichen eine „Arbeitsveranstaltung“, dominiert von einer Fülle an Leit- und sonstigen Anträgen, Satzungsänderungen, Initiativanträgen, usw.
Die ausführliche Liste aller Anträge bzw. Änderungsanträge gibt es nach wie vor online.
Große Themen
Drei Themen nahmen dabei besonders viel Platz ein. Erstens der Leitantrag zum demographischen Wandel (A1), dem im Rahmen des Mein-Bayern-Prozesses ein Kongress sowie ein Themenheft der Mitgliederzeitschrift grüen vorausgegangen war. Der Antrag behandelt eine umfangreiche Agenda, mit welcher dem demographischen Wandel begegnet werden soll – insbesondere der zunehmenden Verstädterung. Zu diesem Antrag gab es gleich 23 Änderungsanträge. Der größere Teil wurde zwar ohne weitere Abstimmung durch die AntragsstellerInnen übernommen – die Übersicht ging leider trotzdem viel zu schnell verloren.
Einschub: es muss ja nicht gleich Liquid Feedback / Adhocracy sein, aber irgendeine Form von Unterstützung durch technische Tools täte hier schon dringend Not. Unter anderem die Netzbegrünung macht sich dahingehend wohl auch schon Gedanken.
Umstritten war bei diesem Antrag eine Passage, die es als notwendig bezeichnete, für Ballungszentren wie München neben einer baulichen Nachverdichtung auch neues Bauland auszuweisen. Diese Passage lehnten viele – letztlich die Mehrheit – ab, ein Änderungsantrag (Ä16), der eine Beschränkung auf Nachverdichtung forderte, wurde angenommen.
Das zweite große Thema war „Peak Fossil“ – der nächsten, sich auch langsam abzeichnenden, Stufe nach Peak Oil. Das Thema wurde vor allem durch das Impulsreferat von Volker Plass aufgewertet, der es sehr anschaulich darstellte. Wer nicht dabei war: es lohnt sich auf alle Fälle, die Videoaufzeichnung davon anzusehen – oder, bis diese verfügbar ist, die Aufzeichnung eines ähnlichen Vortrags, den er zu einer anderen Gelegenheit gehalten hat.
Medien- und Netzpolitik
Besonders spannend war für mich natürlich das Thema „Digitaler Wandel“ – auch deshalb, weil der Leitantrag (A5) vom LAK Medien- und Netzpolitik erarbeitet wurde und ich dadurch mit involviert war (insb. beim Daten- und Verbraucherschutz). Ich will gar nicht weiter auf den Inhalt eingehen – es ist ein 13seitiger Rundumschlag zu praktisch allem, was mit dem Internet, und vielem, was mit den klassischen Medien zu tun hat. Interessant waren dabei vor allem einige Erkenntnisse, die ich aus den Diskussionen um den Antrag bzw. den Änderungsanträgen dazu gewann:
- Der Antrag war zu lang für das vorhandene Zeitkontingent. Ich hatte das Gefühl, dass viele Delegierte überfordert waren von der Menge an Forderungen. Auf der Versammlung konnten dann nur sehr vereinzelte Punkte diskutiert werden, die aber sicher nicht alle Bereiche abdeckten, bei denen es Diskussionsbedarf gegeben hätte. (Das Problem war zuvor zwar abzusehen, allerdings hätte man nur schwerlich einzelne Teile des Antrags herauslösen können.)
- Es gibt sie, die Internet-KritikerInnen, die sich wünschen, die Partei näherte sich dem Internet ähnlich kritisch wie beispielsweise der Gentechnik. Gerade der Kreisverband Rosenheim zeigte hier klare Kante. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es auch darüber hinaus vereinzelte Parteimitglieder gibt, die das ganze mit dem Internet für überflüssig halten. Dass der Antrag letztlich mit großer Mehrheit beschlossen wurde, zeigt aber auch, dass es sich dabei dann doch nur um eine Minderheit handelt – die man aber berücksichtigen und einbinden muss.
- Das Thema Urheberrecht bleibt weiter spannend – der Graben zwischen den VertreterInnen der neuen digitalen Kreativität und denen der klassisch bildungsbürgerlichen Künste ist nicht zu übersehen. Besitzstandswahrungsreflexe, wie sie mitunter zu hören waren, bringen uns dabei aber sicher nicht weiter.
- Auch das Thema Jugend- und Kinderschutz war umkämpft. Der Antrag propagiert vor allem Medienpädagogik, setzt klassischen Instrumentarien sehr enge Grenzen – lehnt diese aber auch nicht kategorisch ab. Besonders aggressiv wurde ein Abschnitt angegriffen, der die Möglichkeit freiwilliger Whitelists für Eltern von Kindern bis zu 12 Jahren vorsieht. Der Änderungsantrag, diesen Abschnitt zu streichen, fand keine Mehrheit.
Satzung / Finanzen
Die Satzungsänderungen waren zum größeren Teil unumstritten – die Aufnahme geschlechtergerechter Sprache ins Frauenstatut, Initiativantragsrecht für die Grüne Jugend und den Finanzausschuss, einige Regelungen über die Landesarbeitskreise, und einiges mehr.
Intensiv diskutiert wurde dagegen ein Antrag (S1), der den Delegiertenschlüssel ändern soll, also die Formel, anhand derer bestimmt wird, welcher Kreisverband wie viele Delegierte zu den künftigen Landesversammlungen schicken kann. Eine Änderung dieser Formel war dem Landesvorstand und Parteirat nach nötig, um angesichts des rasanten Mitgliederzuwachses der Partei zu verhindern, dass die Versammlung aus allen nähten platzt. Denn noch größere Hallen sind rar und unverhältnismäßig teuer. Etwas vereinfacht dargestellt ist der entscheidende Faktor dabei, auf wie viele Mitglieder ein Delegierter kommt. Bisher waren es 25. Hier gab es einige Diskussionen: die einen sahen bei einer Erhöhung dieser Zahl (und damit einer Reduzierung der Delegiertenzahl) eine weitere Abkehr vom grundsätzlich basisdemokratischen Anspruch der Partei. Die anderen wollten beim neuen Verteilungsschlüssel gezielt die kleinen Kreisverbände weiter stärken. Es blieb am Ende beim vom Landesvorstand vorgeschlagenen neuen Modell, einer Erhöhung der Zahl auf 35.
Anmerkung: bei solchen Änderungen ärgwöhnt man ja schnell, einzelne Gruppierungen wollten jeweils das beste für sich selbst herausholen. Diesen Eindruck machte die Diskussion auf mich nicht: der Antrag, nach dem kleinere Kreisverbände im Vergleich zu jetzt mehr, bzw. größere Kreisverbände anteilsmäßig weniger Stimmgewicht erhalten, wurde auch mehrheitlich von uns Münchnern unterstützt; und der Änderungsantrag, der das Gewicht noch weiter Richtung kleine KVs verschoben hätte, kam nicht von einem kleinen KV, sondern aus der Nürnberger Ecke.
Heiß umstritten war auch ein Finanzantrag (F1) des Landesvorstands/Parteirats, der die Bezirksverbände finanziell unterstützen sollte. Jeder der 7 Bezirksverbände sollte mit pauschal 2000€ im Jahr bezuschusst werden. Widerstand dagegen kam überraschenderweise aus den Reihen der Bezirksverbände selbst. Das Problem ist wohl, dass die Bezirksverbände in der gegenwärtigen Parteistruktur nahezu keine Rolle spielen und sich ihre Aktivitäten notgedrungen auf ein Minimum beschränken. Der Zuschuss stünde ohne Konzept im Raum, welche Rolle die Bezirksverbände in Zukunft spielen sollten. Um sie mit Leben zu erfüllen, müsse man zumindest eine gering entlohnten Mitarbeiter einstellen – dafür sei der Zuschuss aber wiederum viel zu gering. Bevor man also über einen Zuschuss reden sollte, müsse man überhaupt erst einmal ein solches erarbeiten. Der Antrag wurde nach der Diskussion mehrheitlich abgelehnt – es gibt demnach also bis auf weiteres auch weiterhin keine Zuschüsse.
Personen
Ich will nicht allzu viele Worte über die Personalien des Parteitags verlieren. Dass Winfried Kretschmann zu Besuch war und eine der Eröffnungsreden hielt, dass Theresa Schopper als Landesvorsitzende wiedergewählt wurde, wird ja aus der massenmedialen Berichterstattung ohnehin jeder erfahren haben. Die alles dominierende Person des Parteitags war aber ein anderer: der langjährige Schatzmeister Benedikt Mayer, der erst bei den letztjährigen Wahlen mit einer Zustimmung von genau 100% ein nahezu kommunistisch anmutendes Ergebnis einfuhr. Da er sich um das Amt als Bundesschatzmeister bewerben will, trat er leider nicht mehr zur Wahl an. Sein Nachfolger, Sascha Müller, wird in große Fußstapfen treten müssen.
Darüber hinaus ist ein Parteitag natürlich auch ein lohnenswertes soziales Event. Die Nächte sind traditionell viel zu kurz, es wird gekickert, das ein oder andere Bierchen genossen, und neue Meme gedeihen fröhlich vor sich hin… aber das will ich hier nicht mehr weiter vertiefen. Vielleicht kann ich Oma Huber dazu gewinnen, hier einmal einen Gastbeitrag darüber zu veröffentlichen.